Es ist an der Zeit wieder
aktiv mitzugestalten!

Impfpflicht

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beschlossene Impfpflicht führt nun in meiner Wahlarztpraxis für Neurologie mehrmals wöchentlich zu Anfragen von Patientinnen und Patienten bzgl. einer etwaigen Rückstellung von der Impfpflicht.

Überwiegend sind die Gründe dafür emotional stark aufgeladene Erfahrungen oder Erzählungen, behaftet mit großer Furcht vor Nebenwirkungen, und entsprechen nur selten den publizierten Kriterien für eine Rückstellung. (COVID-19-Impfungen: Wann aus medizinischen Gründen vorübergehend nicht geimpft werden soll Version 1.0, Stand: 09.12.2021).

Auch bei Menschen mit mehreren relevanten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung wiegt diese konkrete Furcht bzw. oft mehrdimensionale Angst schwerer als eine rationale Abwägung der Fakten, was in der Natur der Ängstlichkeit begründet ist. Es ist mir in den letzten Monaten immer wieder gelungen, Patientinnen und Patientin diese Angst durch ein vertrauensvolles Gespräch zu nehmen. Dieses Gespräch benötigt jedoch Zeit, Besonnenheit und Geduld. Dinge, die eine Impfstraße oder eine Apotheke nicht leisten kann, sondern nur eine Vertrauensärztin oder ein Vertrauensarzt.

Eine Patientin hat mir kürzlich einen Zettel unter die Nase gehalten und mich gebeten zu unterschreiben, dass ich persönlich für etwaige Nebenwirkungen durch die Impfung rechtlich gerade stehen würde. Ihre Grunderkrankung ist eine fortgeschrittene, sekundär progrediente Encephalitis disseminata, die ihrer Meinung nach vor 30 Jahren durch eine Impfung ausgelöst worden sei. Dieser Zusammenhang konnte schließlich durch eine akribische zeitliche Aufarbeitung der Ereignisse ausgeschlossen werden, die ablehnende Haltung gegenüber dieser Impfung war jedoch unumstößlich und rationalen Argumenten nicht zugänglich. (Andere Impfungen wurden jedoch laut Impfplan verabreicht!) Trotz mehrfacher Gespräche über das überwiegen des Nutzens gegenüber den Risiken in ihrem konkreten Fall würde sie „lieber sterben, als sich gegen Corona impfen zu lassen“! Bei dieser Patientin handelt es sich jedoch nicht um eine „Verschwörungstheoretikerin“, ihre Haltung ist exemplarisch und bei weitem kein Einzelfall. Ich stelle mir mittlerweile die Frage, ob eine Impfpflicht für alle Menschen über 18 Jahre das geeignete Mittel ist, um die Durchimpfungsrate zu erhöhen, oder ob dadurch nicht noch größere Spannungen entstehen, ohne einen relevanten Effekt zu erzielen, dabei die Bevölkerung weiter spalten, sogar Familien entzweien und gigantische bürokratische Aufwände und Kosten verursachen.

Die beschlossene Impfpflicht führt kaum übersehbar zu steigender, irrationaler Angst und Abwehrhaltung und bringt uns Ärztinnen und Ärzte in ein gewisses Dilemma im Vertrauensverhältnis zu unseren Patientinnen und Patienten.

Um die Bevölkerung m glichst geschlossen ins Boot zuholen, wären Maßnahmen notwendig, die aktuell (Stichwort Omikron) und weitgehend unbestritten eine positive Nutzen/Risiko-Bilanz aufweisen und letztlich auch das gelindeste Mittel darstellen, um das gesteckte Ziel einer endemischen und im Routinebetrieb beherrschbaren Situation zu erreichen. Eine Altersgrenze für eine Impfpflicht wie in Italien wäre ein erster Schritt in diese Richtung gewesen. Weitere notwendige Adaptierungen sollten selbstverständlich nicht ausgeschlossen, Prophezeiungen wie in der Vergangenheit tunlichst unterlassen werden.

Ich bin überzeugt, dass wir Wahlärztinnen und Wahlärzte durch Zeit und Aufklärungsarbeit einen großen Beitrag zur Bewältigung dieser Ausnahmesituation leisten. Leider ist nach wie vor die freiwillige (befristete) direkte Einbindung der größten Gruppe der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte (kostenfreie Tests, elektronische Krankmeldung, „Covid Positionen“ wie bei §2 Ärzten etc.) politisch nicht gewollt.

Die Interessensvertretung der Wahlärztinnen und Wahlärzte in der steirischen Ärztekammer war in den letzten 5 Jahren überschaubar bis nicht existent.

Ihr David Windisch

David Windisch
Wahlärzte Steiermark
FA für Neurologie

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